Da demnächst die Wahl zum österreichischen Unwort des Jahres 2015 stattfindet, möchte ich an dieser stelle gerne auf einen der möglichen Kandidaten eingehen. Wie die Überschrift meines Artikels bereits vornimmt, handelt es sich dabei um das lustige Wörtchen „Lügenpresse“. Was ist eigentlich damit gemeint? Ist der Vorwurf gerechtfertigt? Oder alles doch nur rechte Polemik?

Um des Pudels Kern etwas näher zu kommen, würde ich gerne an dieser Stelle zuerst auf die Entstehungsgeschichte des Wortes eingehen. Der Begriff wurde in den frühen 2000ern bei eindeutig rechtsradikalen Kundgebungen in Leipzig das erste Mal dokumentiert und dort von Skinheads, die sowohl die damaligen Zeit als auch die Waffen-SS glorifizieren, skandiert. Schleichend über die letzten fünfzehn Jahre, nicht zuletzt auf Grund von Pegida und Konsorten, ist das Unwort allerdings in die Gesellschaftsmitte gerutscht und wird nunmehr vor allem von rechten und rechtspopulistschen Strömungen gerne und manchmal schon ziemlich strapaziös überverwendet. In Kombination mit blumiger Sprache, die gezielte Vergleiche mit Naturkräften übt, ergibt sich dann eine Waffe, mit der auf unterschiedlichste Bevölkerungsschichten „eingedroschen“ wird. Für uns höchste Zeit zu hinterfragen, was da genau vor sich geht und damit bezweckt werden soll.

Laut führenden Experten zum Thema Massenpsychologie findet tatsächlich eine starke Instrumentalisierung des Wortes von diversen Seiten statt, die auf die Medienverdrossenheit der Menschen abzielt und als Werkzeug der Manipulation dienen soll, um geneigten Gruppierungen einen besseren Stand in der Öffentlichkeit zu ermöglichen. Es gilt vornehmlich neue Quellen, neben den vorhandenen, die gleichzeitig verunglimpft werden, zu schaffen und diese als bessere Alternative darzustellen mit dem Ziel die Bevölkerung auf die eine oder andere Weise zu beeinflussen. Eine weitere Taktik ist es einen Dschungel aus Fehlinformationen zu implementieren, der auf Grund der schieren Informationsflut und –menge, es erschwert zwischen Wahrheit und Fiktion zu unterscheiden. Ganz nach dem Motto der Indoktrination, wenn eine (gelogene) Aussage oft genug wiederholt wird, wird sie zwar nicht wahrer, aber die Menschen beginnen an sich selbst und an der tatsächlichen Wahrheit zu zweifeln.

Trotzdem darf ein Umstand nicht vergessen werden: Absolute Objektivität ist in der Praxis in den allerseltensten Fällen möglich. Wir würden sogar so weit gehen zu sagen sie sei unmöglich. Denn egal wie gut man darin ist seine eigene Meinung bei Seite zu schieben und sich selbst auf einen neutralen Boden zu stellen. Wir bleiben schlussendlich alle Menschen, die nun mal eine Meinung haben, ob wir das nun wollen oder nicht. Von daher ist eine gewisse Färbung in jedem Medium zu finden. Egal ob es sich um Zeitungen, Fernsehen oder Blogs handelt. Alle sie stecken gleichzeitig in einem System, das politisch bzw. meinungsbildend beeinflusst wird und sämtliche von ihnen werden von Menschenhand erstellt. Aus diesen dargelegten Gründen gibt es auch Kontrollinstitutionen wie zB den österreichischen Presserat und seiner Unterorganisationen, diese greifen ein um etwaiges Fehlverhalten bzw. eine zu unethische Subjektivität zu unterbinden.

Es gibt allerdings auch Medieninhaber, die sich dieser Kontrollorgane bewusst entziehen. Genau da gilt es zu hinterfragen was die Ziele der einzelnen Verleger sind. Geht es um weitestgehend neutrale Information oder um Massenpsychologie, um Manipulation. Aus oben dargelegten Gründen sollte es relativ klar sein in welche Kategorie Beiträge fallen, die mit dem Wort „Lügenpresse“ inflationär hantieren. Diesem selbstverständlicherweise ausgenommen. 🙂

Was hat es nun mit der „Lügenfresse“ auf sich? Für uns ist jeder, der das Unwort „Lügenpresse“ in einer ernstgemeinten Form verwendet, automatisch auch eine Lügenfresse, die die heutige Medienlandschaft entweder nicht verstanden hat, oder uns eben gezielt zu manipulieren versucht. Heutzutage sollte eine mündige Bürgerin bzw. ein mündiger Bürger nämlich nicht auf ein einzelnes Medium vertrauen, sondern aus verschiedenen unterschiedlichen Quellen (egal ob Zeitungsartikel, Fernsehreportage, Blogbeitrag) die auswählen, welche sie bzw. er am meisten trauen kann und diese auch untereinander validieren. In Zeiten des Internets ist das absolut kein Problem mehr. Nicht einmal im Falle der internationalen Presse. Ein paar rudimentäre Englischkenntnisse vorausgesetzt. Alle anderen gehen höchstwahrscheinlich leider auch wählen und machen ihr Kreuzchen dann doch wieder bei potentiellen Lügenfressen. Schade eigentlich, dass diese doch sehr plumpe Instrumentalisierung immer noch so ausgezeichnet bei uns funktioniert.

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